free templates joomla
Zu Elizabeth Wiskemann (I): Die Verlegerin Emmie Oprecht, Zürich, erzählte mir erstmals von Elizabeth Wiskemann und deren geheimen Tätigkeit während des Krieges in der Schweiz; von Emmie Oprecht erhielt ich auch die Adresse von Erika Düby, Zürich, ehemals Chefsekretärin bei der NZZ, die ebenfalls sehr eng mit Elizabeth Wiskemann befreundet war. Beide, Emmie Oprecht und Erika Düby prägten das Bild Elizabeth Wiskemanns in diesem Buch. Elizabeth Wiskemann schilderte ihre Kriegsjahre in dem Buch „Erlebtes Europa. Ein politischer Reisebericht 1930-1945, Bern 1969 ("The Europe I Saw", London 1968) “, blieb aber da sowohl hinsichtlich ihrer damaligen Geheimdiensttätigkeit (sie arbeitete für die Political Warfare Executive) sehr zurückhaltend. Auskunft über sie erteilten mir auch Dr. Heinrich Rumpel (ehemals ebenfalls beim Oprecht Verlag); hinzu kamen persönliche Schilderungen ihrer ehemaligen Arbeitskollegin Elizabeth Montagu, der Schauspielerinnen Susi Trachsler-Lehmann und Maria Becker, der Buchautorin Franca Magnani und zuletzt auch noch des Philosophen Arnold Künzli.

Schilderung des Gesichts von Elizabeth Wiskemann: Erika Düby zufolge – damals eine ihrer besten Freundinnen in der Schweiz (ich bin ihr enorm dankbar für die Gespräche, die sie mit mir führte – hatte Elizabeth Wiskemann "helle blaue Augen": "Das Gesicht war sehr hager, sie sah sehr intellektuell aus." (Gespräch von Erika Düby mit dem Autor)
Geburtsdatum von Elizabeth Wiskemann (13. August 1899) und Lebenslauf: Nachruf von Lily Katharine "Kitty" Duff, in: Newnham College Roll Letter 1972, S. 70-74, sowie Newnham College Register, Vol. 1 (1871-1923), S. 295f (ich danke Anne Thompson ganz herzlich); vgl. auch die Nachrufe auf Elizabeth Wiskemann in "The Times", July 6, 1971, p. 14 (wahrscheinlich ebenfalls von Lily Katharine Duff) sowie July 9, p. 14, July 10, p. 14, July 15, p. 18 und Erwähnung des "Last will" in "The Times", December 23, 1971; sowie den Eintrag in "The Dictionnary of National Biography, 1971-1980, Oxford 1986, S. 918f.

Elizabeth Wiskemann (II): Elizabeth Meta Wiskemann (13. August 1899 - 5. Juli 1971) stammte aus Chelsea. Ihre Eltern waren Hugo Wiskemann und Myra Burton (Nachruf in "The Times, 6. Juli 1971, S. 14). Ihr Vater war geborener Deutscher. Er muss vor dem Ersten Weltkrieg nach England gekommen sein. Sie sprach auch zu ihren Freunden nie über ihn. Von Beruf war er Kaufmann. Sie studierte in der Notting Hill High School, London, und dem Newnham College in Cambridge und schloss ihre ersten Studien 1921 in Geschichte. In Cambridge doktorierte sie 1927 mit eine Studie über "Napoleon III und die Römische Frage". Sie schloss zwar "with first-class honors" ab, wie es im Klappentext ihres Buches "Europe of the Dictators, 1919-1945" (New York 1966) über sie heisst, aber sie war trotzdem enttäuscht, denn die Arbeit brachte sie karrieremäßig nicht weiter. Die akademische Welt ist ein Kosmos, indem von außen kaum wahrnehmbare Unterscheidungen ins Gewicht fallen können, und sie war der Überzeugung, dass "einer ihrer Examinatoren" von "Vorurteilen" gegen sie bestimmt war (The Dictionnary of Biography, 1971-1980, Oxford 1986, S. 918). Nach diesem Rückschlag wandte sie sich dem Journalismus zu und reiste im Herbst 1930 als Korrespondentin nach Berlin. In ihren Artikeln, die im "New Statesman" und anderen Zeitschriften erschienen, warnte sie "vor dem Ausmaß der Nazi-Gefahr" (The Dictionnary of Biography", S. 918). Ihre Beobachtungen in Deutschland und ihre Recherche-Reisen in Europa beschrieb sie in dem Buch "The Europe I saw" (London 1968), das unter dem Titel "Erlebtes Europa. Ein politischer Reisebericht 1930 bis 1945" auch auf Deutsch erschien (Bern/Stuttgart 1969). Sie erwarb sich schnell einen Ruf als einflussreiche Reporterin. Im Juli 1936 wurde sie nach kurzer Inhaftierung aus Deutschland ausgewiesen.
Zeitungsartikel zu dieser kurzen Verhaftung siehe Schweizerisches Bundesarchiv, E 2001 (D) 3, Bd. 14 (Elizabeth Wiskemann): "Sunday Graphic", 12.7.1936: "British Woman Held By German Secret Police. Released After Signing Statement About Anonymous Article Written Year Ago"; "Times", 13.7.1936: "ENGLISHWOMAN ARRESTED IN BERLIN. AUTHORSHIP OF AN ARTICLE"; "Daily Herald" 14.7. 1936: "WOMAN GRILLED BY NAZIS IS GOING BACK. 'I AM not cowed… I shall go to Germany again.'"; "Daily Herald", 16.7.1936: "Elizabeth WISKEMANN, who was detained in Berlin by secret police after a visit to Danzig, and is still suffering from the effects of her experiences, here pictures DANZIG TO-DAY. 'When will the Nazis set up the Danzig concentration camp?' That is the question you hear everywhere in Danzig to-day, asked, not for fun, but in deadly earnest. (...)" "Parliamentary Debates", 20. 7.1936: "MISS E. WISKEMANN (DETENTION). 17. Mr. V. ADAMS asked the Secretary of State for Foreign Affairs whether he has any statement to make about Miss Elizabeth Wiskemann, a British subject, as to her recent arrest, and subsequent release, by Nazi secret police in Germany? Mr. EDEN: I understand that Miss Wiskemann was detained by the German police for about an hour, but I have no official information as to the reasons for her detention. Mr. ADAMS: Was not this lady arrested for writing an article in an English newspaper the same morning that she arrived from Danzig, and cannot some apology be required for her treatment? Mr. EDEN: I have seen that explanation in the Press. Miss Wiskemann was released within an hour, and I understand that the police did treat her with politeness. In the circumstances, I do not think that any further steps are necessary. Mr. DALTON: Hs this lady made any representations to the Foreign Office about her treatment? Mr. EDEN: Not so far as I am aware. Mr. DALTON: If she does so, will the right hon. Gentleman give the matter his careful consideration? Mr. EDEN: "Most certainly, yes. Mr. V. ADAMS: Did not the German authorities say that her treatment would have been more severe were it not for the necessity of keeping specially good relations with Great Britain? Commander LOCKER-LAMPSON: Is my right hon. Freind aware that she was only guilty of telling the truth? Mr. EDEN: I am not called up to express an opinion about the article. Mr. BELLENGER: Was this lady asked to leave Germany by the German Government after her examination? Mr. EDEN: Perhaps the hon. Gentleman will put that question down."
Damals kam sie auch ein erstes Mal in die Schweiz. Bis 1937 unterrichte sie ein wenig in Cambridge, bevor sie ihre Reportagetätigkeit über Deutschland Reisen fortsetzte. 1937 erhielt sie vom "Royal Institue of International Affairs" den Auftrag für "eine Studie über das tschechisch-deutsche Problem" ("Erlebtes Europa", S. 79). Das Manuskript schloss sie am 1. März 1938 ab, vierzehn Tage vor der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen. Mit dem Titel "Czechs and Germans" erschien die Studie im Juni 1938 als Buch, also noch vor dem "Münchener Abkommen" (29.9.1938), in der die britische Regierung alle Warnungen von Elizabeth Wiskemann in den Wind schlug. Bekanntlich wurden in dem Abkommen die Tschechoslowakei, die zu den Verhandlungen nicht eingeladen war, zur Abtretung von Gebietsteilen an das Deutsche Reich gezwungen wurde. Zu der Zeit war Elizabeth Wiskemann, die wie Churchill gegen die "Appeasement"-Politik war, gerade auf einer Vortragsreise in den New York. Auf dieser Reise, so schrieb sie, "begann ich mich langsam zu fragen, ob ich mich nicht besser in Amerika nach Arbeit umschauen sollte. Der Leiter der Oxford University Press in New York schlug ihr aber vor, "ein Buch über die Lage in Europa nach dem Münchener Abkommen zu schreiben" ("Erlebtes Europa", S. 89). Sie reiste zurück nach Europa, um in der Tschechoslowakei, in Jugoslawien, Rumänien, Ungarn und Polen Leute zu befragen und Informationen zusammenzutragen. Sie war gerade in der Schweiz, um auch dort Unterlagen zu sammeln, als sie "die Nachricht erreichte, dass Hitler am 15. März 1939 Prag besetzt hatte." ("Erlebtes Europa, S. 90). Vom Frühjahr 1939 an "regte sich in mir ein Gefühl eigenartiger Gewissheit, dass Hitler im Frühherbst den Krieg beginnen würde. (...) Allerdings ahnte ich nicht, dass Hitler es fertigbringen würde, Ungarn und Rumänien auf seine Seite zu ziehen, war aber anderseits von ihm auf alles gefasst. (...) Kurz nach meiner Heimkehr [aus Siebenbürgen nach London] verbrachte ich mit zwei Bekannten ein Wochenende auf dem Lande; sie erinnern sich noch, dass sie mich nach dem voraussichtlichen Datum des Kriegsbeginns fragten, worauf ich den 1. September nannte. Die war kein besonderes Kunststück, hatte doch Hitler wiederholt betont, er wolle erst die Ernte einbringen und dann Polen noch vor Einsetzen des Herbstregens angreifen. Für mich ist es ein Rätsel, wie jemand an seinem Vorhaben, Polen im Jahre 1939 anzugreifen, zweifeln konnte. Ich finde, er hat aus diesem seinem Plan kein Hehl gemacht und sogar deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Westen und Russland erst später angreifen wolle. Ich bezweifle auch, dass irgendwer oder irgend etwas ihn von seinem Vorhaben hätte abbringen können (vorübergehende taktische Erwägungen ausgenommen); denn er wollte den Krieg, der seiner Meinung nach wünschenswert und verlockend war, und erstrebte ein Reich, das nur durch Waffengewalt geschaffen werden konnte. Vielleicht hätte man vor 1939 gegen ihn aufstehen und ihn entmachten können; dann wäre der Menschheit vieles erspart geblieben." ("Erlebtes Europa", S. 118f). Das Manuskript für das neue Buch, ihr zweites, hatte sie längst abgegeben, als sich die Prophezeihung erfüllte. Wie sie in "Erlebtes Europa" (S. 138) schreibt, trug es "den unpassenden Titel 'Undeclared War'" und erschien "etwa zwei Monate nach Kriegsausbruch". Es legte die ganze Entwicklung hin zum Krieg dar. Als die Universität Oxford ihr 1965 die Ehrendoktorwürde verlieh, wurde sie in der Laudation eine "Kassandra" genannt (Nachruf in "The Times, 6. Juli 1971, S. 14). Für das "Royal Institute of International Affairs" (genannt "Chatham House"; vgl. Kenneth Young, ed., The diaries of Sir Robert Bruce Lockhart, Volume Two, 1939-1965, London 1980, S. 20, 42, 46 und 71) hatte sie wie gesagt ihr erstes über die Sudetenkrise verfasst. Unmittelbar nach Kriegsausbruch arbeitete sie sechs Wochen für "Chatham House", das nach Oxford evakuiert worden war, "um bei der Lektüre der ausländischen Presse mitzuhelfen" ("Erlebtes Europa", S. 138). Diese Analysen flossen ein in die nach Ländern geordneten wöchentlichen Zusammenfassung politischer Nachrichten, die das "Political Intelligence Department" (PID), das dem Foreign Office unterstand, herstellte. Das PID hatte am 1. September 1939 seine Aktivitäten aufgenommen und war im Hauptquartier der britischen Feindpropaganda in der Reitschule und den Stallungen des Landsitzes Woburn Abbey untergebracht, dem Sitz des Herzogs von Bedfordshire (Ellic Howe, Die schwarze Propaganda. Ein Insider-Bericht über die geheimsten Operationen des britischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg, München 1983, S. 51ff; Clas Oliver Richter, Political Warfare Executive, Münster 1996, S. 73 und 67). Die Zeitungsauswertung in Oxford fand Elizabeth Wiskemann jedoch "unbefriedigend" ("Erlebtes Europa", S. 138). Verschiedene ihrer Bekannten waren unterdessen in einer Dienststelle für geheime Propaganda untergekommen, die den Namen "Department Electra House" (E.H.) trug und mit Kriegsbeginn wie das "Political Intelligence Department" (PID) ebenfalls nach Woburn Abbey kam (vgl. Ellic Howe, Die schwarze Propaganda. Ein Insider-Bericht über die geheimsten Operationen des britischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg, München 1983, S. 48ff; Michael Balfour, Propaganda in War, 1939-1945. Organisations, Policies and Publics in Britain and Germany, London 1979, S. 89ff). Elizabeth Wiskemann wurde aufgenommen und "in halboffizieller Mission" in die Schweiz geschickt.
Die Elizabeth Wiskemann des Romans ist schon im Oktober 1939 in der Schweiz. Die wirkliche Elizabeth Wiskemann war im Frühjahr 1939 auf einer Schweizreise. Ich verschiebe ihn einfach, sozusagen, und lasse sie dann nach London zurückreisen. Denn ihren offiziellen Auftrag bekam sie erst "zu Weihnachten 1939) und sie verließ London "am 6. Januar 1940, um neun Uhr abends, um zunächst nach Paris zu fahren, von wo ich einige Tage darauf nach Zürich weiterreiste" ("Erlebtes Europa", S. 139). Die Tarnung der wirklichen Elizabeth Wiskemann in der Schweiz war zunächst ein Buchauftrag (S. 138: "Den Schweizer Behörden konnte ich bloß sagen, ich hätte mit der Oxford University Press einen Vertrag für ein Buch über die Schweiz abgeschlossen; dies stimmte auch, doch das Buch wurde nie geschrieben, und ich zahlte später den Vorschuss, den ich dafür erhalten hatte, zurück."); außerdem half sie dem Presseattaché bei Übersetzungsarbeiten; sie hatte 1940 noch keinerlei diplomatischen Status; erst im Herbst 1941 wurde sie offiziell Vize- (oder: stellvertretende) Presseattaché.
Aus Gründen vielleicht verzeihlicher Vereinfachung lasse ich die Geschichte mit dem fingierten Buchauftrag unerwähnt und mache ich sie im Roman von Anfang an als geheime Mitarbeiterin des Mininisteriums für Wirtschaftliche Kriegführung ("Ministry of Economic Warfare") arbeiten – in enger Beziehung zur Presseabteilung der Britischen Gesandtschaft in Bern.
In Wirklichkeit – gemäß diplomatischen Quellen des Eidgenössischen Politischen Departements, die im Schweizerischen Bundesarchiv unter der Signatur E 2001 (D) -/3; Bd. 83 liegen – wurde sie in Bern erst vom 23. Mai 1940 an als Übersetzerin beim Pressebüro in Bern ausgegeben ("Her Majesty's Legation present their compliments to the Federal Political Department and have the honour to transmit herewith two photographs of Miss Elizabeth Wiskemann, who has been appointed translator to the Press Bureau of His Majesty's Legation. They would be grateful if the Department would issue to her a 'carte de Légitimation' in due course."). Diese Stellung verschaffte ihr jedoch keinen vollen diplomatischen Status (zur Fortsetzung vgl. Anmerkungen zu Elizabeth Wiskemann in Teil 2).
Es möge mir nachgesehen werden, dass ich die Elizabeth Wiskemann des Romans schon von Anfang an in Bern wohnen lasse (und zwar immer an der Archivstraße, weil diese Wohnung nicht weit von der Britischen Gesandtschaft entfernt war und außerdem ganz in der Nähe der Kirchenfeldbrücke lag, die sich hoch über die Aare schwingt und zur Berner Innenstadt führt), mir die Chronik der Wohnungswechsel erspare und sie, wie gesagt, auch schon ein paar Monate vorher in der Schweiz eintreffen lasse als in Wirklichkeit. In der Realität dauert eben alles manchmal etwas länger als in einem Roman – vor allem das Wohnungssuchen. Dass diese Friktionen des Alltags nicht immer besonders unterhaltsam sind, brauche ich nicht zu unterstreichen. So wohnte die wirkliche Elizabeth Wiskemann nach dem 23. Mai 1940 in Bern zunächst an der Gesellschaftsstraße 22 und wechselte erst am 11. Juni 1940 in die Wohnung, die sie im Roman bewohnt, an die Archivstraße 15 in Bern (in Sichtweite des Schweizerischen Bundesarchivs!). In Wirklichkeit zog sie von da bereits am 19. November 1940 an den Friedheimweg 53, nahm nach der Rückkehr von einer längeren Reise nach London (vgl. Teil 2) am 11. Oktober 1941 als Untermieterin Wohnsitz bei einer Frau Gugelmann, Rotes Schlössli, Muri bei Bern (vgl. Episode, die Harry Bergholz in seinen unveröffentlichten Erinnerungen "Memoiren Schweiz" beschreibt, (handgeschriebene Manuskript-Fassung, S. 102f; getippte Fassung unter dem Titel "hitlerflüchtig", Archiv für Zeitgeschichte, München), Deutsches Exilarchiv 1933-1945, Deutsche Bibliothek, Frankfurt a.M., S. , bevor sie am 10. November 1941 erneut an den Friedheimweg 53 in Bern wechselte, wo sie dann bis zum Schluss blieb. Diese Zufälligkeiten des Agentenlebens würden den Roman, in dem Elizabeth Wiskemann nur eine von drei Hauptfiguren ist – neben ca. dreißig Nebenfiguren – unnötig verwirren.
Nach dem Krieg veröffentlichte Elizabeth Wiskemann die beachteten historischen Werke "Italy" (1947), "The Rome-Berlin Axis" (London 1949; überarbeitete Fassung 1966), "Germany's Eastern Neighbours" (1956), "Europe of the Dictators" (New York 1966). Als die Universität Oxford ihr einen Ehrengrad verlieh, wurde sie deshalb, wie schon kurz erwähnt, gewürdigt als "a Cassandra who had lived to record the war she had foretold and as a historian who had obtained international recognition." (Nachruf in "The Times, 6. Juli 1971, S. 14) 1959 war auch noch eine Studie über die Geschichte der Neuen Zürcher Zeitung erschienen, 1968 wie geschildert ihr persönlicher Bericht "Erlebtes Europa" und poshum, 1971 ein Werk mit dem Titel "Italy since 1945". Über ihren Tod schreibt der "Dictionnary of National Biography": "Her last years were made increasingly difficult by failing sight; and rather than give up her independence and live a life in which she would be unable to read, she took her life in her home in London 5. July 1971. She was unmarried." (S. 918) Wie ihre langjährige gute Freundin Erika Düby in Zürich in einem Interview erzählte, hatte sie wegen einer missglückten Staroperation in England die Sehkraft eines Auges verloren. Erika Düby hatte alles vorgekehrt, dass die Behandlung des anderen Auges von einem Spezialisten in Zürich möglich würde. Kurz vor der bereits angesetzten Operation schied Elizabeth Wiskemann aus dem Leben. Es soll ihr zeitlebens schwer gefallen sein, über Krankheiten zu reden. Ihr Nachlass liegt im Newnham College, University of Cambridge (zit. nach Neville Wylie, Britain, Switzerland, and the Second World War, Oxford 2003, S. 273, Anm. 16).
 
Geheime Dienststelle von Elizabeth Wiskemann / Vom "Department Electra House" (E.H.) zur "Political Warfare Executive" (PWE): Die Dienststelle in Woburn Abbey, für die Elizabeth Wiskemann arbeitete, kam im Juli 1940 vom Foreign Office zum Ministry of Economic Warfare und wurde mit anderen Dienststellen, die für subversive Kriegführung, Unterstützung von Widerstandsbewegungen und Sabotage zuständig waren, zur "Special Operations Executive" (SOE) zusammengefasst. Wegen dauernder Kompetenzstreitigkeiten wurde die Propaganda- und Informationsabteilung im Juli 1941 unter dem Namen "Political Warfare Executive" (PWE) verselbständigt und von der nun nur noch für Sabotage und Subversion zuständigen SOE gelöst (Clas Oliver Richter, Political Warfare Executive, Münster 1996, S. 72; Michael Balfour, Propaganda in War, 1939-1945. Organisations, Policies and Publics in Britain and Germany, London 1979, S. 90f; David Garnett, The Secret History of PWE. The Political Warfare Executive 1939-1945, London 2002). Die PWE blieb in der Woburn Abbey, die SOE-Leute zogen aus.

Verhältnis Elizabeth Wiskemann zu Colonel Henry Cartwright: Cartwright, der britische Militärattaché in der Schweiz, hatte tatsächlich ein gespanntes Verhältnis zu Elizabeth Wiskemann; auf jeden Fall hielt er es für nötig, bei einem Besuch in England über sie herzuziehen: "Wiskemann no good – defeatist – hysterical – amateurish – too many agents." (Kenneth Young, ed., The diaries of Sir Robert Bruce Lockhart, Volume Two, 1939-1965, London 1980, S. 187). Das entspricht ziemlich genau, was Elizabeth Wiskemann in "Erlebtes Europa" (S. 141) so umschrieb: "(...) wurde mir alsbald klar, dass – zumindest auf meiner eigenen Gesandtschaft – ernstliche Ressentiments gegen mich als unabhängige Frau spürbar waren." Allerdings verheimlichte Cartwright seine Aversionen ihr gegenüber und intrigierte hinter ihrem Rücken, denn Elizabeth Wiskemann schrieb, das mit den Ressentiments "traf" für den britischen Gesandten Kelly und "den eher etwas kläglichen Militärattaché (...) freilich nicht zu. Gerade letzterer bemühte sich stets, liebenswürdig zu sein." (S. 141) Ich hoffe, es wird mir nachgesehen, dass ich im Roman den Militärattaché so zeichne, wie er wirklich war, und nicht so, wie er Elizabeth Wiskemann erschienen ist. "Allerdings", so schreibt sie, "fand ich seine Anstrengungen, mir die verschiedenen Sicherheitsvorschriften einzuimpfen, eher lästig, hatte ich doch in einem Polizeistaat gelebt, er aber nicht, so dass ich mit allem, was ich am Telefon sagte oder zu Papier brachte, viel vorsichtiger war als das Gesandtschaftspersonal im allgemeinen." ("Erlebtes Europa", S. 141)
Dass sich Elizabeth Wiskemann auf der Gesandtschaft nicht wohlfühlte, erzählte mir in Telefoninterviews vom 20.3. und 5.4.2001 auch Mrs. A.N.C. Varley (vor ihrer Heirat Elizabeth Scott-Montagu), die im Krieg längere Zeit auf der Gesandtschaft Elizabeth Wiskemanns Mitarbeiterin war. Erst nach ihrem Tod erschienen ihre Erinnerungen: Elizabeth Montagu, Honorouble Rebel, Beaulieu 2003 (ich danke Ralph Montagu, der die Herausgabe der Erinnerungen betreute, für die vielen freundlichen Informationen).
In den OSS-Akten zu Elizabeth Wiskemann finden sich ihre Briefe und Mitteilungen an Allen Dulles und sein Büro ("Personal File Elizabeth Wiskemann, National Archives, RG 226, Entry 210, Box 276, Folder 4; ich danke Richard Breitman für den Hinweis und John Taylor sowie Sameer Popat für die Beschaffung der Kopien); im Brief vom 13.XII.42 unterstreicht Elizabeth einen Grundsatz ihrer Arbeit: "I always try to keep as clear of military information as I possibly can because the military specialists are rather 'touchy'. But actually, as you said, there isn't a line of demarcation."
In ihrem Brief vom 30.XII.42 an Allen Dulles erwähnt sie die Schwierigkeiten, denen sie in der britischen Gesandtschaft begegnet, und die offenbar nach Ablösung des Gesandten Kelly durch seinen Nachfolger Norton zunahmen: "Though all my friends are delightful to me, things here are almost more difficult than I can face sometimes. It was a grand job until the change of chief and I was so keen and London seemed really pleased with what I sent..... I need some very good advice: if you ever have an hour to spare.....? I hope this isn't presuming upon your kindness."
Dann schien sich die Lage zu bessern und am 11. Februar 1943 schreibt sie Allen Dulles: "Am feeling a bit cheered by further signs of encouragement from London."
 
Dass Elizabeth Wiskemann von militärischen Dingen fernhielt: Elizabeth Wiskemann, Erlebtes Europa, S. 172: [im Zusammenhang mit Informationen betreffend Tito, die sie von „einem jungen Montenegriner“ erhielt, „der angeblich in Bern Theologie studierte. Ich fand sehr bald heraus, dass er Kommunist war. Er und seine Freunde brachten mir immer wieder Nachrichten über einen kommunistischen Partisanenführer namens Tito.“] „Keiner meiner britischen Kollegen wusste über Jugoslawien Bescheid, und ich fand, dass ich die politische Seite dieser Situation nicht vernachlässigen dürfe, obwohl ich mich sonst bemühte, mich aus militärischen Dingen herauszuhalten.“
 
Zu Harry Bergholz und Elizabeth Wiskemann: "Memoiren ‹Schweiz›" (unveröffentlichtes Manuskript; Deutsches Exilarchiv 1933-1945, Frankfurt a.M.) sowie Briefe von Elizabeth Wiskemann an Harry Bergholz, Archiv des Newnham College, Cambridge/UK.

Treffen Harry Bergholz - Elizabeth Wiskemann in Lausanne / Harry Bergholz und Elizabeth Wiskemann kannten sich bereits: Es fand in Wirklichkeit im Januar 1940 statt (aus dramaturgischen Gründen – Teil 1 spielt nur von August bis November 1939 und Teil 2 beginnt im Mai 1940 – datiere ich das Treffen um einige Wochen vor; Harry Bergholz "Memoiren ‹Schweiz›" (unveröffentlichtes Manuskript), S. 30: "Ebenfalls um diese Zeit [Januar 1940] traf aus England eine mir seit Jahren bekannte Journalistin in der Schweiz ein, wo sie künftig für verschiedene Londoner Blätter als Auslandskorrespondentin wirken sollte. Ich hatte vorher nie in näherer Beziehung zu E.W. gestanden, aber sie gehörte zum [...K]reis guter Freunde von mir, und so brachte sie mir nun nicht nur Grüße, Nachrichten und Ratschläge mit, sondern, höchst willkommen – auch etwas von meiner in Godalminz lagernden warmen Wäsche sowie ein wenig finanzielle Hilfe. Ihre journalistische Tätigkeit war bei Beginn des Krieges in Wirklichkeit zum Nebenberuf geworden und diente als willkommenener Deckmantel für Dienste, die sie dem britischen Nachrichtendienst leistete. Einige Jahre später [P.K.: 1942] änderte sich übrigens ihr Berufsstand, insofern sie zum [P.K.: stellvertretenden] Presseattaché bei der britischen Botschaft in Bern ernannt wurde und sie auf diese Weise diplomatische Immunität erlangte, was in mancher Hinsicht wünschenswert schien. In ihrer Eigenschaft als Mitglied des britischen Nachrichtendienstes [P.K.: "Political Warfare Executive", dem "Ministerium für Wirtschaftliche Kriegführung" unterstellt; anders als der "Secret Intelligence Service", der zum "Foreign Office" gehörte] wurde diese Frau nun meine Vorgesetzte, denn ich hatte den englischen Behörden bei Kriegsbeginn meine Dienste angeboten, um für mein Teil an der Niederwerfung des Hitlerregimes mitzuarbeiten. Dieser Entschluss war einfach die logische Konsequenz meiner allgemeinen Einstellung, reiflicher Überlegung und meines Verhaltens in den voraufgehenden Jahren. Gerade weil ich mich für einen 'guten' Deutschen hielt, meinte ich, gegen Hitler und somit jetzt gegen sein Deutschland kämpfen zu müssen, soweit ich dazu imstande war, und ich war überzeugt, dass seine Herrschaft nach 1939 – oder richtiger: seit 1935 – durch innere deutsche Opposition nicht mehr zu stürzen, sondern sein Untergang allein von außen durch einen Sieg der Westmächte zu erhoffen war. Durch E.W. erfuhr ich nun, dass das britische Nachrichtenamt meine Dienste im Bedarfsfall in Anspruch nehmen wolle und mich zunächst anwies, wenn möglich in der Schweiz zu bleiben und mich bereitzuhalten. Ich dürfe auf keinerlei Rückhalt bei den offiziellen Vertretern der englischen Regierung rechnen, falls ich mit Schweizer Behörden oder sonstwie in Schwierigkeiten geraten würde, und auch auf keine Vergütung für das, was man mich inskünftig zu tun bitte. Für letzteres wurden mir zwei Gründe angegeben: einmal der akute Geldmangel, der durch die riesigen Aufwendungen für Kriegsmaterial in der Staatskasse herrsche, sodann wäre es für mich am besten, die Rolle des mittellosen Emigranten zu spielen – getreu dem bei dieser Dienststelle allgemein geltenden obersten Grundsatz: niemand spiele eine andere Rolle so gut als die, welche ihm auf den Leib geschrieben sei. Das alles klang nicht besondern ermutigend, doch ich war einverstanden, und ich erhielt etwas später immerhin die Zusicherung, man würde alles tun, um zu verhindern, dass ich verhungerte; und einige wenige Male, wenn ich in den nächsten Jahren wirklich in drängende Not geriet, erhielt ich durch meine [im Manuskript gestrichen: Freundin] Bekannte und Vorgesetzte etwas Geld – wenigstens genug, um mich vor dem Ärgsten zu bewahren. Im allgemeinen musste ich, wie andere Emigranten in ähnlicher Lage, zusehen, wie ich mich am Leben erhielt, trotz des offiziellen Arbeitsverbots."
Vgl. dazu auch den Brief von Elizabeth Wiskemann an Harry Bergholz vom 11. Januar 1940: "I have just arrived in Switzerland with something for you. (...) and I hope to get over to Lausanne and see you next month. Tommorrow I hope to post things to you – I thought you would like to know that they should reach you soon. (...)" (Archiv des Newnham College, Cambridge/UK; ich möchte Anne Thomson und ihrer Kollegin herzlichst für die Hilfe danken); vgl. auch den Brief von Elizabeth Wiskemann an Harry Bergholz vom 19.2.1940: "(...) I am ashamed that I did notbring more of your clothes. It's awful for you, all this. (...) It's absurd for me to say don't be unhappy (...)."

Gestrandet in Lausanne / das Frankreich-Visum in seinem Pass war für ungültig erklärt worden: Ebenda, S. 25.

Britische Behörden gegen seine Rückkehr während des Krieges: Ebenda, S. 30: Im Januar 1940 bekam er die "Nachricht, dass die britischen Behörden sich endgültig gegen meine Rückkehr nach England während des Krieges ausgesprochen hatten."
 
kritische Äußerungen von Harry Bergholz über Hitler / anonyme "Beiträge für die Emigrantenpresse / Schmuggel: Harry Bergholz "Memoiren ‹Schweiz›" (unveröffentlichtes Manuskript): "(...) dass ich mich außerhalb Deutschlands kritisch über Hitler und sein Regime geäußert hatte" (S. 2); "dass wir ["eine Gruppe englischer Freunde] (...) seit etwa 1936 zu wiederholten Malen (...) Geld oder Wertgegenstände für einige Opfer der Naziverfolgung hinaus ins Ausland und in Sicherheit gebracht hatten." (S. 4)

Harry Bergholz, "blaue Augen": Vgl. die Selbstbeschreibung von Harry Berholz in: Harry Bergholz "Memoiren ‹Schweiz›" (unveröffentlichtes Manuskript), S. 86: "groß, schlank, Brille, blaue Augen".

Bilder von Harry Bergholz; Hosen, die wie ein Sack an ihm herabhängen: Foto ca. 1943 (Lausanne), in: Nachlass Harry Bergholz, Deutsches Exilarchiv 1933-1945.
 
(Zu weiteren Materialien: gezielte Suche möglich in der Datei „Anmerkungen“)   {back}
Der Text des Romans liegt inzwischen als Hörbuch vor, gelesen  von Marianne Weber für die Schweizerische Bibliothek für Blinde,  Seh- und Lesebehinderte, Zürich; Hördauer 4282 Minuten.
Katalogtext: Der Schweizer Historiker zeichnet ein gross angelegtes Panorama der Geheimdienstaktivitäten in und um Deutschland während der Naziherrschaft. Die Engländerin Elisabeth Wiskemann und der in der Schweiz wohnhafte ausgebürgerte Deutsche Rudolf Roessler werden aus antifaschistischer Überzeugung zu Geheimagenten. In der Lebensgeschichte dieser realen Personen verknüpfen sich die Aktivitäten der alliierten Nachrichtendienste mit denen der nazideutschen Gegenspionage. Nach achtjähriger Quellenforschung deckt der Autor in diesem dichten, anspruchsvollen und sehr umfangreichen Roman zahlreiche unbekannte Zusammenhänge auf.

Hier außerdem eine PDF-Datei mit den Anmerkungen des Autors zum Roman, fortlaufend, nach Kapiteln geordnet:
 
(Die Datei umfasst mehr als 1000 Seiten)

Die Webseite mit der Datei der Anmerkungen zum Buch soll für Transparenz sorgen. Grundsatz war: Personen und Ereignisse authentisch; „Erfindung“ oder Fiktion nur dort, wo die Quellen schweigen oder sich widersprechen, und dies strikt im Rahmen des Plausiblen. So gesehen hat der Roman – erkenntnistheoretisch gesprochen – den Status eines komplexen Hypothesenmodells, denn rein historiografisch sind zahlreiche der im Roman aufgeworfenen Fragen nach der derzeitigen Quellenlage nicht zu beantworten, wie es im Fachjargon so schön heißt (z.B. bei Michael Früchtel, Der Architekt Hermann Giesler. Leben und Werk, München 2008, S. 278). Ob Literatur dazu berechtigt sei, sich auch da, wo es „eigentlich“ nicht geht, ein Bild der Vergangenheit zu machen, hängt auch davon ab, wie offen für Kritik – oder eben: wie transparent – das Vorgehen dabei ist. Der historische Roman – oder der Geschichtsroman – verdankt seine Existenz als Genre letztlich einem nahezu unüberwindlichen Darstellungsproblem der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung. Jene erfolgt nämlich zumeist in Form von Einzelstudien oder geht auch in den großen Überblickswerken nach Kapiteln oder Teilen gegliedert Einzelfragen nach, die allzu häufig nur abstrakt zusammengedacht werden. Einzig Biografien vermögen – aus der Optik der dargestellten Person – annäherungsweise eine zusammenhängende Weltsicht zu entwerfen, durch die Augen der Figuren, Welt verstanden als „Wirklichkeit“, wie sie von den Figuren wahrgenommen wurde. Dieser Roman ist der Versuch, für drei Hauptfiguren und über dreißig Nebenfiguren für die Jahre 1939 bis 1945 das Projekt einer Kollektivbiografie zu wagen. Als Sachbuch würde sich ein solches Unterfangen wegen der Komplexität der einzelnen Lebenszusammenhänge zur Unleserlichkeit verdammen. Der Roman kann zumindest den Versuch wagen, ein solches Zeitbild zu entwerfen. Die Grenzen des Genres des historischen Romans zu erweitern war die Herausforderung. Die Rolle des Autors umfasst dabei, im vorliegenden Fall, die eines Rechercheurs, Interviewers, Interpreten, „Schauspielers“ und „Regisseurs“. Das verstehe ich so: Beim Schreiben „spiele“ ich die Figuren, ähnlich wie ein Schauspieler oder eine Schauspielerin auf der Bühne oder im Film einen Charakter zur Darstellung bringen würde, wenn er oder sie bei diesem Vorgang zugleich die Regie innehätte. Der Roman kann ohne Rücksicht auf die im Theater und im Film anfallenden Kosten die komplexesten „Wirklichkeiten“ mit Worten entwerfen und – vor den Augen der Leserinnen und Leser – bildlich werden lassen. Diese Chance wollte ich bei diesem ernstesten Thema des 20. Jahrhunderts nutzen. (Komplexität zu durchdenken ist die Herausforderung der Zeit.)

Peter Kamber, Berlin, 18. Oktober 2008/26. Februar 2010